Perspektiven auf Bayern

Marie-Luise Appelhans

Bayern – Ein Begriff, der auf unterschiedlichste Art und Weise zu betrachten ist. Stellt man eine Anfrage an die Suchmaschine Google, ergeben sich dazu 153.000.000 Ergebnisse (Stand 25.06.16). Die chronologische Betrachtung der ersten vier Ergebnisse zeigen einen Wikipedia-Artikel zu „Bayern“, die offizielle Website des FC Bayern München http://www.fcbayern.de/de, die offizielle Homepage der Bayerischen Staatsregierung http://www.bayern.de/ und den Link der Rubrik Bayern auf den Onlineseiten des Bayerischen Rundfunks http://www.br.de/themen/bayern/ mit dem Googletitel „Bayern: Was die Menschen im Freistaat bewegt“.

Freistaat, Fußballmanschaft, Leben. Bayern hat sich somit in viele Richtungen entwickelt. Um die Dimension Bayerns zumindest in einigen Punkten besser greifen zu können, werden im Folgenden Historie, Geographie und Politik genauer betrachtet. „Die Geschichte Bayerns (Baierns) reicht weit zurück. Bis ins Jahr 555 n. Chr. lassen sich die Ursprünge des älteren baierischen Stammesherzogtums zurück verfolgen.“ Bis 1180 erstreckt sich schließlich die Herzogtumsherrschaft und wird von der Regentschaft der Wittelsbacher von 1180 bis 1918 abgelöst. Während dieser Regierungsphase ergaben sich mehrere bedeutende Ereignisse, wie z.B. 1623 die Erhebung zum Kurfürstentum und das Jahr 1806 als Beginn des Königreichs Bayern.

Mit diesem Ereignis entstanden auch heute als „typisch bayerisch“ angesehene Elemente auf den Herrscherrequisiten, welche von der „[…] Bayerische(n) Akademie der Wissenschaft entworfen worden waren; ebenso die Rautenwappen und Alpenblumenmotive auf den Krönungsornaten“2. Mit dem Ende der Wittelsbacher folgte die Gründung des Freistaates, 1918, welcher 1949 als Bundesland der neuen deutschen Bundesrepublik ernannt wurde. Auch die aktuelle Verfassung des Freistaates Bayern bezieht sich noch auf die Verschriftlichung vom 2. Dezember 1946, welche am 8. Dezember 1946 in Kraft getreten ist, und im Anschluss bisher kaum verändert wurde.

Geographisch erstreckt sich Bayerns Staatsgebiet insgesamt über 70.550 km². „Das bayerische Gebiet wird auf unterschiedliche Weise genutzt. Die Nutzung lässt sich u.a. in die Kategorien Siedlungs- und Verkehrsfläche, Landwirtschafts-, Wald- und Wasserfläche unterteilen.“ So sind beispielsweise nur 11,8% der Gesamtfläche Siedlungs- und Verkehrsfläche und fast die Hälfte Bayerns, nämlich 46,9%, werden für landwirtschaftliche Zwecke benötigt. „Die bayerische Landschaft zeichnet sich durch ihre große Vielfalt aus. Vier natürliche Großlandschaften sind hier vereint: die Bayerischen Alpen, das Alpenvorland, das Ostbayerische Mittelgebirge und das Schwäbisch-Fränkische Schichtstufenland.“ Der höchste Punkt in Bayern ist mit 2.962m die Zugspitze, als tiefster ist der Wasserpiegel von 100m, des Mains in Kahl am Main anzusetzen. Sieben Regierungsbezirke ergeben sich aus der Aufgliederung des Freistaats in Regionen. „Dies
sind der Regierungsbezirk Oberbayern mit dem Regierungssitz in der Landeshauptstadt
München, Niederbayern mit Regierungssitz in Landshut, die Oberpfalz (Regensburg), die drei fränkischen Regierungsbezirke Oberfranken (Bayreuth), Mittelfranken (Ansbach) und
Unterfranken (Würzburg) sowie der Regierungsbezirk Schwaben mit Regierungssitz Augsburg.“

Die politische Zusammensetzung Bayerns ergibt sich selbsterklärend ebenso aus den jeweilig meist vertretenen Parteien der Regierungsbezirke. Lässt man die umschweifende politische Vergangenheit vom Herzog- zum Königtum, und folglich dem Freistaat Bayern aka Bundesland außer Acht, so blieb lange Zeit die CSU die kontinuierliche Oberhand im politschen Geschehen. Auch optisch präsentiert sich die CSU durch und durch „bayerisch“: weiß/blau, Rauten, Auftritte in Janker statt in Hosenanzug. „Das Meinungsforschungsinstitut Forsa stellt jede Woche im Auftrag des Stern und des Fernsehsenders RTL die Sonntagsfrage. Als Sonntagsfrage (auch Wahlabsichtsfrage) wird die Frage nach der aktuellen Wahlabsicht bezeichnet. Sie wird Grundlage zur Berchnung der aktuellen Wahlmeinung verwendet.“ Mit „nur“ 34% gingen die
Umfragewerte der CSU für den 26. Juni 2016 hervor, ein „Tief“, das Empörung bei Parteichef Horst Seehofer und die Onlineausgabe des Stern zum Titel „40 Prozent? Seehofer beleidigt, Web belustigt“ hervor rief. Wie sich nun weiterhin die politischen Machtverhältnisse entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Doch mit starkem frischem Wind ist in Bayerns Politikparteien bislang nicht zu rechnen.
Bayern bietet vielfältige Sichtweisen auf Zeitgeschehen, Land und Leute als auch Möglichkeiten in z.B. geografischer und politischer Hinsicht. Oder wie die CSU umschreibt: „Bayern ist unsere Heimat. Bayern ist das Land, in dem wir leben und das wir lieben. Bayern ist unvergleichliche Landschaft, gelebte Tradition, jahrhundertealte Kultur. Bayern ist Erfolg, Lebensqualität und Spitzenleistungen. Bayern – das sind Menschen voller Kreativität und Tatkraft, die ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen.“, um dem allgemeinen Bayernbild in seiner Bavarianess-Funktion
wiedereinmal zuzuspielen…

Stereotyp

Stephanie Klinnert

Stereotype dienen dazu, den komplexen Alltag zu vereinfachen und zu verallgemeinern.
Sie können mündlich – in Form von Witzen, Märchen oder Schimpfwörtern – weitergegeben werden, aber zum Beispiel auch in bildlicher Form von Karikaturen, Sammelbildern oder Reisebroschüren verbreitet werden. Gerade bei der Bavariness-Thematik spielen Stereotype eine große Rolle, denn auch Bayern muss sich mit stereotypen Vorstellungen wie der Lederhose, dem Biertrinken oder dem „Granteln“ auseinandersetzen.

Das Wort Stereotyp leitet sich laut dem „deutschen Wörterbuch“ von Jacob und Wilhelm Grimm von dem französischen Wort stéréotype ab, das von den griechischen Wörtern στερεός (stereos) und τύπος (typos) abstammt. Der Begriff wurde dann von Walter Lippmann im Jahr 1922 aus der Drucksprache übernommen, denn dort konnten Texte „unverändert nachgedruckt und vervielfältigt werden“ wie „manche Meinungen und Urteile“.

Jede Fachdisziplin hat ihr eigenes Verständnis von Stereotypen. Der Kulturwissenschaftler Hermann Bausinger definiert Stereotypen als „unkritische Verallgemeinerungen, die gegen Überprüfung abgeschottet, gegen Veränderungen resistent sind“. Man muss beachten, dass Stereotypen einen relativen Wahrheitsgehalt, eine Orientierungsfunktion und eine realitätsstiftende Wirkung haben. Wertende Stereotype dominieren die neutral-beschreibenden Stereotype, wobei wiederum negative Bewertungen überwiegen. Der Begriff „Vorurteil“ kann quasi als Begriffssteigerung gesehen werden und ist oft mit Feindbildern verbunden, während Stereotype meist „schrullige Harmlosigkeiten“ umfassen.

Man muss bei Stereotypen zwischen zwei Arten unterscheiden. „Ein Autostereotyp ist ein „Stereotyp, das eine Person oder Gruppe von sich selbst hat“, während ein Heterostereotyp eine „Vorstellung, [ein] Vorurteil [ist], das Mitglieder einer Gruppe oder Gemeinschaft von anderen Gruppen besitzen“. Fremd- und Selbstbilder stimmen laut dem Kulturwissenschaftler Daniel Drascek selten überein und Heterostereotypen können zu Autostereotypen mutieren. Der Volkskundler Georg R. Schroubek fundierte mit Nina Gockerell die Feststellung, dass ethnische Auto- und Heterostereotypen „zu wesentlichen Teilen stets tradiert, also kulturell vermittelt sind[.]“

Stereotype haben verschiedene Funktionen, wie zum Beispiel das Reduzieren von Komplexität zur Erfassung und Assimilation der Umwelt. Damit kann das Leben leichter bewältigt werden. Außerdem gewähren sie Selbstschutz und Identität und dienen zur Ab- und Ausgrenzungen des Anderen.

Viele Stereotype werden „aus einem älteren, spätestens seit dem 19. Jahrhundert tradierten Repertoire, das um einige Elemente der jüngeren Zeit angereichert ist [,][geschöpft]. Aus dem Fundus von Kleidung (Tracht), Nahrung (Weißwurst, Bier), Unterhaltung (Blasmusik, Oktoberfest), Sprache (Dialekt), Herrschaft (Landesfarben, Ludwig II., Strauß), Sehenswürdigkeiten (Neuschwanstein), Natur (grüne Wiesen, weiß-blauer Himmel, Kühe, Starnberger See), prominente Personen (Fischer, Strauß) und Skurrilitäten (Wolpertinger) genommen, stellt die Reduzierung auf ältere und neuere „icons“ dabei nicht nur eine Vereinfachung dar. Sie bedeutet gleichermaßen eine Verdichtung von Aussagen und vermag in der vorgestellten Kombination von Emotionen und Stimmungen zu erzeugen, ganz gleichgültig ob als zustimmend-positive oder ablehnend-negative Haltungen.“

In Bezug auf die Region Oberbayern Schreibt Der Volkskundler Andreas Knoll, dass „[m]it dem Tourismus und der damit verbundenen Vermarktung der Heimat [,] Orte und Landschaften immer wieder überschrieben und mit Bildern aufgeladen [wurden].“ Laut Bausinger werden Dirndl und Lederhosen in Japan oder in Amerika als typisch bayerisch beziehungsweise typisch deutsch anerkannt. Schon in frühen (oft satirischen) Reiseberichten lassen sich bayerische Stereotype finden. Zum aussehen schreibt Kaspar Riesbeck als der „Reisende Franzose“: „Es giebt mitunter die drolligsten Figuren der Welt, mit aufgedunsenen Wänsten, kurzen Stampffüssen und schmalen Schultern, worauf ein dicker runder Kopf mit einem kurzen Hals sehr seltsam sitzt, und in diese Form pflegt gemeiniglich der Bayern zu fallen, wenn er mehr oder weniger Karrikatur seyn soll.“ Der geographische Schriftsteller Karl Friedrich Vollrath Hoffmann schreibt 1835: „[D]ie Baiern halte ich für die größten Trinker unter den Deutschen.“ Laut Johann Pezzl seien die Bayern sehr trinkfreudig, doch es gäbe im „Bierland“ kein gutes Bier. Weitere Stereotype neben dem hohen Alkoholkonsum sind nach Jan-Oliver Decker in Filmen die Sexbesessenheit, das Raufen, sowie das Unterordnen des Fremden.

Es finden sich unter den Faktoren des Bavariness-Konzepts demnach unter anderem touristische, wirtschaftliche, alltägliche, künstlerische oder politische Bereiche, die durch stereotype Vorstellungen gezeichnet sind.

Literatur

Bausinger, Hermann: Typisch deutsch. Wie deutsch sind die Deutschen? München 2000, S. 17.

Bausinger, Hermann: Stereotypie und Wirklichkeit, S. 157-170. In: Jahrbuch Für Deutsch als Fremdsprache 14 (1988), hier 160.

Bausinger, Hermann: Name und Stereotyp, S. 13-19. In: Gerndt, Helge (Hg.): Stereotypvorstellungen im Alltagsleben. Beiträge zum Themenkreis Fremdbilder – Selbstbilder – Identität, München 1988, hier S. 13.

Decker, Jan-Oliver: Liebesgrüsse aus der Lederhose. Bayern im Softsexfilm der 70er und 80er Jahre. In: Krah, Hans (Hg.): Bayern und Film, Passau 2007, S. 101-171, hier S. 137.

Drascek, Daniel: Blickwinkel. Wahrnehmung als alltagskulturelle Praxis, S. 119-138. In: Greenlee, Mark/ Hammwöhner, Rainer/ Körber, Bernd u.a. (Hrsg.): Bilder sehen. Perspektiven der Bildwissenschaft, hier S. 133.

Egger, Simone: Heimat. Wie wir unseren Sehnsuchtsort immer wieder neu erfinden. München 2014, S. 166.

Gockerell, Nina: Das Bayernbild in der literarischen und „wissenschaftlichen“ Wertung durch fünf Jahrhunderte. Volkskundliche Überlegungen über die Konstanten und Varianten des Auto- und Heterostereotyps eines deutschen Stammes, München 1974, S. 257.

Grimm, Jacob/ Grimm, Wilhelm: Stereotyp. In: Deutsches Wörterbuch, Bd. 10. Zweiter Teil. Leipzig 1941, Sp. 2455.

Walter Lippmann: Public Opinion. New York 1922.

Müns, Heike: Arbeitsfelder und Methoden volkskundlicher Stereotypenforschung, S. 125-154. In: Hahn, Hans Henning (Hg.): Stereotyp, Identität und Geschichte. Die Funktion von Stereotypen in gesellschaftlichen Diskursen, Frankfurt am Main 2002, hier S. 126.

Pezzl, Johann: Reise durch den Baierischen Kreis. Salzburg und Leipzig 1784, S. 221.

Johann Kaspar Riesbeck: Briefe eines Reisenden Franzosen durch Bayern, Pfalz und einen Theil von Schwaben. An seinen Bruder zu Paris. Aus dem Französischen übersetzt von K. R. o. O. MDCCLXXXIII, S. 126. Gefunden bei Gockerell, Nina: Die Bayern. Land und Leute in Reisebeschreibungen aus vier Jahrhunderten, Zürich 1980, S. 21 f.

Roth, Klaus: Stereotypen, In: Brednich, Rolf Wilhelm u.a. (Hrsg.): Enzyklopädie des Märchens. Handwörterbuch zur historischen und vergleichenden Erzählforschung, Band 12, Berlin und New York 2007, Sp. 1252-1260, hier Sp. 1253.

Schroubek, Georg R.: Regionalismus und Nationalismus in der deutschböhmischen Literatur 1918-1938. In: Kultur und Gesellschaft in der Ersten Tschechoslowakischen Republik. München, Wien 1983, S. 67-77, hier S. 63.

Hoffmann, Karl Friedrich Vollrath: Deutschland und seine Bewohner; ein Handbuch der Vaterlandskunde für alle Stände. Zweiter Theil, Stuttgart 1835, S. 175. Gefunden bei Gockerell, Nina: Das Bayernbild in der literarischen und „wissenschaftlichen“ Wertung durch fünf Jahrhunderte. Volkskundliche Überlegungen über die Konstanten und Varianten des Auto- und Heterostereotyps eines deutschen Stammes, München 1974, S. 257.

Wolf, Gabriele: Bayern stereotyp. Über aktuelle Identifikationen mit einer Region in Europa. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (2005), S. 129-135, hier S. 129 f.

 

 

 

 

Tradition

Florian Kiss

Unter dem Begriff Tradition werden in der kulturwissenschaftlichen Forschung sowohl bestimmte Traditionen als auch Tradition als Prinzip der Überlieferungsprozesse zusammengefasst und beschrieben. Da die Beschäftigung mit der Gegenwart und der Zukunft in jeder Gesellschaft auch auf einer Auseinandersetzung mit der Vergangenheit basiert, ist Tradition eine „anthropologische Universalie“. Hinsichtlich der Überlieferungsprozesse lassen sich drei verbindende Elemente herausarbeiten:

  1. Das zu Überliefernde (tradendum, traditum), das oftmals hypothetisch an den Beginn einer Tradition gestellt wird[3].
  2. Der Tradierungsprozess an sich, der als eine „in die Zukunft zielende Doppelbewegung des Empfangens und Weitergebens“ bezeichnet werden kann.
  3. Die in der Gegenwart feststellbare Ausformung des Überlieferten als Resultat des Überlieferungsprozesses.

Durch (intendierte) Wiederholungen und (intendierte) Weitergabe sollen Traditionen über Generationengrenzen hinweg bewahrt werden. Besonders stabil erscheinen Traditionen, wenn sie im Zusammenhang mit dem Jahreszyklus stehen und Befolgung und Zeitrhythmus als identisch wahrgenommen werden.

Sprache ist in den Überlieferungsprozessen das „vorrangige Medium“ und auch alle nichtsprachlichen Überlieferungen stehen in „engstem Zusammenhang“mit ihr.Die Schriftkultur bringt im Vergleich zu mündlichen Überlieferungen einen entscheidenden Wandel mit sich, da durch die Verschriftlichung die „ursprüngliche[] Gestalt erhalten bleibt“ und somit „der Abstand zwischen Vergangenheit und Gegenwart wirklich wachsen und dieses Wachstum wahrnehmbar werden [kann]“. Neben der Textpflege (intakte Bewahrung der schriftlichen Überlieferung) wird eine Sinnpflege erforderlich, die „durch Deutungsanstrengungen den […] Sinn aus der Vergangenheit mit der jeweiligen Gegenwart vermittelt“.

Durch aufklärerische Religionskritik und Philosophie setzt zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert eine Traditionskritik ein, die zur Entwertung von Tradition und zur Bildung des Gegensatzpaares Tradition-Moderne führt. Erst in den 1970ern wird durch die zeitgenössische Soziologie Tradition als Forschungsgegenstand wiederentdeckt.Die „Universalität des Traditionsprinzips“, der Überlieferungszwang innerhalb moderner Gesellschaften und die „spezifische Eigenart, die für Traditionen unter den Bedingungen der Moderne kennzeichnend“ ist, geraten ins Blickfeld.

Auch wenn Tradition in der Moderne Anstöße der Traditionskritik aufgenommen und beispielsweise den Wandel als konstitutives Element integriert hat, bleibt sie Grenzen verhaftet. Hinsichtlich der zentralen Funktionen von Tradition lässt sich im Vergleich zur Vormoderne beobachten, dass zum einen die kreative Dimension der Orientierungsfunktion die restriktive übersteigt und dass sich zum anderen der identitätsstiftende Kern zusehends in das Reflexionswissen verlagert.. Das hat zur Folge hat, dass moderne Traditionen einerseits „weniger Autorität“ haben, dadurch den „Normativitätsbedarf einer Gesellschaft […] weniger gut [erfüllen]“und demzufolge labiler sind als vormoderne Traditionen und dass andererseits in Bezug auf die Identitätsstiftung/-sicherung die „moderne Distanz (Distanz zum eigenen Selbst, Distanz gegenüber kollektiven Loyalitäten)“ nicht beibehalten werden kann.

Gerade im Kontakt/Konflikt unterschiedlicher Kulturen wird deutlich, dass die Moderne selbst eine „große Tradition ist, die universalistische Ansprüche begründet und stellt, obwohl sie de facto genauso partikularistisch und an einen bestimmten kulturellen Hintergrund gebunden ist“

Vgl. Auerochs, Bernd: „Tradition als Grundlage und kulturelle Präfiguration von Erfahrung“. In: Jaeger, Friedrich; Liebsch, Burkhard: Handbuch der Kulturwissenschaft. Band 1. Grundlagen und Schlüsselbegriffe. Stuttgart 2004, S. 24–37.

Regionale Identität

Caroline Riedl

Im Jahr 2015 hat der Bayerische Rundfunk die jüngste Bayernstudie erhoben. Dieser zufolge ist Bayern eine sympathische Region, in der man gerne lebt, zu der man sich gerne bekennt. Vor allem die jungen Menschen sind es demnach, die sich auch um den bayerischen Dialekt und Traditionen bemühen. Offensichtlich tragen sie zu einem sozialen Gebilde bei, Teil dessen zu sein, erstrebenswert ist und man sich gerne selbst diesem Konstrukt zuschreibt: Die Rede ist von der regionalen Identität. Die Umweltpsychologie definiert place identity als Identität eines geographischen Ortes und der dortigen Umwelt, die von Sozialisationsprozessen begleitet und beeinflusst werden und immer von einer sozialen Gruppe besetzt sind.

Für die Identität sind sowohl die physischen als auch symbolischen Merkmale eines Ortes ausschlaggebend, denn darüber kann sich die ansässige Gruppe schließlich mit dem Ort definieren. Natur, Infrastruktur und Topographie zählen also ebenso wie Symbole, die häufig aus der Überhöhung der eben genannten Attribute entstehen. Vor allem die Interaktion der Mitglieder an diesem Ort trägt zu einem ständigen Konstruktionsprozess bei, der die regionale Identität als dynamisches Moment beschreibt. Wichtiger Bestandteil sind aber auch pseudostatische Elemente wie Traditionen, denn die soziale Gruppe, die mit einem geographischen Ort verbunden ist, bringt auch eine Kultur mit sich, die schließlich auch dem Ort anhaftet. „Dies geht soweit, dass der geographische Ort für eine bestimmte Kultur steht und von aussen auch so wahrgenommen werden kann.“ Somit ist die regionale Identität sehr eng mit einer Stereotypisierung verknüpft, die als „»interaktive Imagination« – vor »reale(n) Hintergründe(n)« – betrachtet“Auto- und gleichermaßen Heterostereotype produziert. Inhärent ist damit die Möglichkeit zur Distinktion von anderen. Regionale Identität bleibt aber akteurszentriert, sodass auch die Option der Distinktion zur Distinktion besteht: „was zählt ist, wie ein Mensch sich verhält, nicht, was er – und hier muß ergänzend hinzugefügt werden: von der Herkunft her – ist.“

Nach der bereits erwähnten Bayernstudie ist hier ein neuer Trend erkennbar, das Bild des groben, tölpelhaften, dummen Bayern hat sich gewandelt. Zwar sind in den Stereotypen immer noch Attribute wie grob oder trinksüchtig stark vertreten. Doch werden diese heute als sympathische Zuschreibungen gerne angenommen und als Aushängeschild benutz. „Mia san mia!“ und dabei sieht man etwaige beziehungsweise ehemalige Mäkel als positive Eigenarten und adaptiert sie vielleicht sogar, obwohl sie in der individuellen Identität nicht in diesem Maße ausgeprägt sind. So ist die regionale Identität ein kollektives, kommunikatives Instrument, das zur Konsensbildung führt, der allerdings als grundlegend vorangestellt wird. Dies zeigt deutlich, dass regionale Identität ein Produkt von vielerlei Prozessen und Akteuren ist. Die Bevölkerung selbst spielt hier eine ebenso große Rolle wie Politik, Medien, Tourismus und Industrie, die jeweils in vielschichtigen Wechselbeziehungen zueinander stehen.

Literatur

Berger, Christian Wolfgang: Regionale Identität und Kooperation am Beispiel Appenzell Innerhoden. Zürich 2009, S. 83-87.

Lindner, Rolf: Das Ethos der Region. In: Ders. (Hg): Die Wiederkehr des Regionalen. Über neue Formen kultureller Identität. Frankfurt/Main, New York 1994, S. 215.

Region

Peter Steger

Aus der Perspektive einer Vergleichenden Kulturwissenschaft bewegt sich der Mensch in seinem Alltag zwischen drei wesentlichen kulturellen Dimensionen: Zeit, Raum und Soziales. Der Raum bildet sowohl für das Individuum als auch für Gemeinschaften und die Gesellschaft eine zentrale Kategorie des alltäglichen Denkens, Handelns und Lebens.
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts galt das volkskundliche Interesse an Raum und Räumlichkeit vor allem der Erforschung von sogenannten ‚Kulturräumen‘. Die Grundannahme hinter diesem Forschungskonzept: Durch empirische Studien – in Form von Fragebögen und aktiver Feldforschung – lassen sich eindeutig voneinander abgrenzbare Räume feststellen, die nicht nur durch ihre geographischen oder territorialen Grenzen, sondern gerade auch durch kulturelle Grenzen – manifestiert etwa in Bräuchen, Kleidung oder Möbel – gekennzeichnet sind.
Das neuere kulturwissenschaftliche Forschungskonzept zur Analyse von Räumen verlagert – auch in Folge des sogenannten ‚spatial turn‘ in den Kultur- und Geisteswissenschaften – den Schwerpunkt von der Erforschung von ‚Kulturräumen‘ auf die Analyse von ‚Raumkultur‘, die auf alltagskulturell-lebensweltliche Erfahrungen, Handlungen und Deutungen fokussiert. Raum wird nicht als empirisch-neutrale Bezugsgröße, sondern als individuelle und soziale Ordnungskategorie verstanden, die von den jeweiligen Akteuren immer schon gedeutet und gestaltet wird.

Region und Regionalität bilden – in enger Verwandtschaft zum Begriff der „Nation“ – ein zentrales Raumkonzept der Moderne, das den Menschen in Europa seit Beginn des bürgerlichen Zeitalters als kulturelles und soziales Ordnungssystem dient. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht sind Regionen Wissens- und Handlungsräume, die mit bestimmten Zuschreibungen – Narrative, Auto- und Heterostereotype sowie positiver und negativer Wertsetzung – verbunden sind. Der Raum ‚Region‘ ist kulturell codiert und symbolisch konstruiert.
Infolgedessen lässt sich Region gleichzeitig als Konstrukt, Struktur und Prozess begreifen: Region wird ständig durch raumkulturelle Praktiken konstruiert, strukturiert damit die soziale Praxis und bleibt dabei in ständiger Aushandlung – als geschlossene kulturelle Einheiten werden Regionen längst nicht mehr betrachtet.
Bezüge zu Region und Regionalität lassen sich im Alltag breiter Bevölkerungsschichten überall finden: in Erzählungen, Filmen, Musik, auf Kleidung, an Produkten sowie in Handlungen und Verhaltensweisen. Oft weisen die Bezüge zu Regionalität komplexe Verbindungen zu anderen kulturellen Konzepten auf: von Heimat über Identität bis hin zu Stereotyp – die Zusammenhänge sind vielfältig.
Gerade in Bayern werden diese weitläufigen Zusammenhänge alltäglicher Regionalisierungen in den letzten Jahrzehnten besonders deutlich. Von popkulturellen T-Shirt-Marken, die den geographischen Umriss Bayerns auf ihre Produkte drucken, bis hin zur neuen Mundart-Musik, die sich bewusst des Dialekts als Symbol regionaler Herkunft und Zugehörigkeit bedient – die Region Bayern wird bewusst konstruiert, mit Bedeutungen aufgeladen und instrumentalisiert. Diese Phänomene im Kontext Bavariness stellen somit einen wichtigen Untersuchungs-gegenstand aktueller kulturwissenschaftlicher Forschung dar.

 

Literatur:

Göttsch, Silke: Region und Regionales als Thema der Volkskunde. In: Meiners, Uwe; Ziessow, Karl-Heinz (Hg.): Dinge und Menschen. Geschichte, Sachkultur, Museologie. Cloppenburg 2000, S. 151-161.

Gyr, Ueli: Zur Einführung: Raumkultur und Raumforschung. In: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 109 (2013), S. 1-3.

Hirschfelder, Gunther: Europäischer Alltag im Fokus der Kulturanthropologie/Volkskunde. In: Conermann, Stephan (Hg.): Was ist Kulturwissenschaft? Zehn Antworten aus den »Kleinen Fächern«. Bielefeld 2012, S. 135-174.

Kaschuba, Wolfgang: Einführung in die Europäische Ethnologie. 4., aktualisierte Auflage, München 2012.

Tschofen, Bernhard: Grenzraum Bodenseeregion. Ethnographische Inspektionen in divergierenden Feldern. In: Ders. (Hg.): GrenzRaumSee. Eine ethnographische Reise durch die Bodenseeregion. Tübingen 2008, S. 9-30.

Wolf, Gabriele: Bayern stereotyp. Über aktuelle Identifikationen mit einer Region in Europa. In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (2005), S. 129–135.

Swissness

Julia Erben

„Swissness“
Das Begriffskonzept „Bavariness“ lehnt sich sowohl sprachlich, als auch inhaltlich an den im wissenschaftlichen Bereich bereits ausführlicher diskutierten Begriff der „Swissness“ an. Deshalb ist es im Zuge der Auseinandersetzung mit Phänomenen, die sich unter dem Begriff „Bavariness“ fassen lassen unerlässlich einen Blick auf diesen Schlüsselbegriff der Schweizer Kultur und auf die damit verbundenen Elemente zu werfen. Es handelt sich bei dem Begriff „Swissness“ um ein Lexem, das weder im Duden vermerkt ist, noch als richtiger Anglizismus gesehen werden kann. Das Wort setzt sich aus dem englischen Adjektiv „swiss“, also schweizerisch und aus dem Suffix „ness“ zusammen und lehnt sich damit in Form und Lautung an die englische Sprache an. Ähnlich verhält sich dies auch beim Begriff „Bavariness“, für dessen Bildung das „swiss“ – also das Schweizerische – durch eine abgekürzte Form des englischen Adjektivs für bayerisch, also „bavarian“ ersetzt wurde. Der Begriff „Swissness“ meint im weitesten Sinne „Schweizbezogenheit“ und bezieht sich somit unmittelbar „auf das Schweizer Land, dessen Kultur und Werte“, vor allem im Kontext von Tourismus und Industrie. Die Offenheit und Flexibilität, die mit dem Begriff „Swissness“ verbunden sind, lassen sich auch für das Konzept der „Bavariness“ anführen. Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass die Beispiele und Phänomene, die sich unter dem Begriff einer „Bayernbezogenheit“ fassen lassen grenzenlos sind. Im Schweizerischen Kontext manifestiert sich dieser „Facettenreichtum“ des Konzeptes z. B. in Liedern, Filmen sowie Unterhaltungsformaten, die ins Ausland exportiert werden und mündet in der Möglichkeit der Teilnahme für alle und jeden.
Der Begriff wurde erstmals 1997 in der Schweizer Presse als neues Schlüsselwort eingesetzt, um für die Schweiz, ihre Produkte und deren Vermarktung eine zeitgemäße Perspektive im Gegensatz zu „alten Grundwerte[n] aus der bisherigen Tradition“ zu eröffnen. Bei der Übernahme dieses neuen Images ging und geht es allerdings nicht um eine völlige Verabschiedung „traditioneller“ Werte, sondern vielmehr um den Erhalt der Schweizer Wurzeln und Stärken und deren Anreicherung mit neuen, modernen Elementen. Mittlerweile häuft sich die Verwendung des Begriffs, die sich zudem auf nahezu alle Bereiche des alltäglichen Lebens ausgedehnt hat: Tourismus, Wirtschaft, Politik, Sport, Kultur, Jugendsprache, Werbe-, Medien- und Marketingbereich, Kunst, Mode oder Musik sind Felder, in denen der Begriff Verwendung findet.

Ein auch das Konzept der „Bavariness“ betreffender Aspekt ist die Verwendung von Symbolen, v. a. im Kontext der wirtschaftlichen Vermarktung. Während man im Zusammenhang mit bayerischen Symbolen z. B. an die Raute oder an eine blau-weiße Farbsymbolik denkt, sind im Kontext der Schweiz das Schweizer Kreuz oder die Landesfahne zu nennen. Diese „alte[n] Na-tionalsymbole“ werden im Zuge der „Swissness“ wieder modern und erhalten, z. B. als Flaggenprint auf T-Shirts eine Logowirkung, die die Schweiz zur Marke werden lässt, die wiederum für Werte, wie „Stabilität, Sicherheit, Toleranz Fairness Präzision [sic!] usw.“ steht. Besonders für das Schweizer Kreuz ist seit 2001 eine inflationäre Verwendung zu verzeichnen. Laut dem Schweizer Volkskundler Ueli Gyr entwickelt sich das Schweizer Kreuz hin zu einem „ein-zigartige[n] Symbol, in welchem sich traditionelle, mythische und modern-innovative Substanzen verdichten.“ Die Schweiz als Marke wird damit zum Ausdruck qualitativer Produkte und Dienstleistungen, welche wiederum weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind und mit den entsprechenden Werten assoziiert werden. Diese Symbolsprache wird offensichtlich auch bei der Vermarktung bayerischer Produkte, Veranstaltungen und Phänomene gebraucht.
Neben den wirtschaftlichen und touristischen Aspekten „soll Swissness im Inland an das durch Globalisierung angeschlagene Selbstvertrauen der Schweiz appellieren und ein neues, weltoffenes, unverkrampftes nationales Selbstverständnis fördern.“ Inwieweit dieser Aspekt auch für das Konzept der „Bavariness“ zutrifft kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Ob die einzelnen Elemente und Phänomene ein einheitliches „bayerisches Selbstverständnis“ herstellen oder reproduzieren und in welchem Maße Einflüsse der Globalisierung auf die Herstellung regionaler Identitäten oder auf ein regionales Selbstverständnis einwirken sind daher zunächst offene Fragen, die es im Zuge weiterer Untersuchungen zu betrachten gilt.

Literatur:
Gyr, Ueli: Marke und Medium. Das „neue“ Schweizerkreuz im Trend. In: Simon, Michael u.a.: Bilder. Bücher. Bytes. Zur Medialität des Alltags. Münster u. a. 2009, S. 432-437.
Madej, Jadwiga: Kulturelle Schlüsselbegriffe der Schweiz im öffentlichen Diskurs. Eine kultursemantische Untersuchung. Frankfurt a. Main 2014.

 

Bavariness?

Bavariness? Das klingt nach einer weiteren neumodischen anglisierenden Begriffsschöpfung. Dieser Blog von Studierenden des Masterstudiengangs Vergleichende Kulturwissenschaft will diesen Begriff mit Inhalt füllen und auf seine Tragfähigkeit bei der Analyse populärkultureller Phänomene untersuchen. Von der aufblasbaren Schwimmbrezel über bayerischen Rap zu international veranstalteten „Oktoberfesten“, von den vieldiskutierten Äußerungen einer Goldmedaillengewinnerin zum Heimatsound-Musikfestival – die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen – begegnen uns im Alltag immer wieder Symbole und Referenzen des – oftmals stereotyp – „Bayerischen“.

In Anlehnung an das Schweizer Swissness-Konzept, das seit einigen Jahren das Interesse der dortigen Kulturwissenschaftler hervorruft, soll unter „Bavariness“ eine noch genauer zu bestimmende Art von Bayernbezogenheit verstanden werden, die in Alltagspraktiken genauso ihren Ausdruck findet, wie in marktwirtschaftlichen, künstlerischen und politischen Kontexten, in Materialitäten, Waren-, Symbolwelten und in Identitäten.

Nach der vor allem literarischen Konstruktion eines „bayerischen Volkscharakters“ in Reise- und Landesbeschreibungen aus Mittelalter und Früher Neuzeit finden sich Versatzstücke und Elemente von – hauptsächlich klischeehaften – Bayernbildern spätestens seit der touristischen Erschließung des Alpenraumes im 19. Jahrhundert im öffentlichen Diskurs. In der zweiten Moderne scheint sich aber eine neue Qualität der Reflexion und der Rezeption von als bayerisch apostrophierten Objektivationen und Subjektivationen abzuzeichnen. Seit den 1970er Jahren wurden vermehrt bayerische Themen, Narrative und Symbole in der Popkultur aufgegriffen und transformiert. Vor allem im Feuilleton fand der postulierte neuartige, unverkrampfte Umgang mit Heimat und Tradition großen Anklang. Dieses Narrativ, das Auto- und Heterostereotypen – die sich bis zu den Historiographen des ausgehenden Mittelalters zurückverfolgen lassen – mit populären Lebensstilen zu neuen Identitätsangeboten verknüpft, unterscheidet sich von den – vor allem in touristisch-ökonomischen Kontexten stehenden – Bildern des 19. Jahrhunderts schon allein dadurch, dass das Hauptmovens nicht mehr nur eine Differenzierung nach außen ist.

Die Beschäftigung in der Vergleichenden Kulturwissenschaft und anderen in der Tradition der Volkskunde stehenden Fächern lief nur zögerlich an. Außer Gabriele Wolf, die sich 2005 in einem Zeitschriftenaufsatz zur seit der Jahrtausendwende anziehenden Konjunktur und Neukontextualisierung bayerischer Stereotype im populären Diskurs äußerte, beschäftigten sich Simone Egger – mit den Themen Tracht und Heimat – Andreas Schmidt – mit Beiträgen zur Musikkultur – und Manfred Seifert mit Teilbereichen des Themas. In den letzten Jahren werden vermehrt Abschlussarbeiten die dem Bereich zuzurechnen sind angefertigt.

Diesem vielschichtigen Themenkomplex widmete sich im Sommersemester 2017 ein Seminar des Masterstudiengangs Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg. Das Ziel war es, den Begriff auf seine Tragfähigkeit zu überprüfen und anhand einzelner Aspekte exemplarisch zu beleuchten. Die Zugänge sollten möglichst multiperspektivisch sein. Schnell zeigte sich nämlich, dass sich das Phänomen nicht ohne Berücksichtigung der historischen Entwicklung betrachten ließ. Würde man ausschließlich diskursanalytisch vorgehen, oder bloße Medientext-, Werbungs- oder
Bildanalysen vornehmen, käme man wohl wie im medialen Diskurs schnell auf ein Ergebnis, das – in beliebiger Reihung – mit den Schlagworten ‚Tradition‘, ‚Moderne‘, ‚Glokalisierung‘, ‚Region‘ und vielleicht noch ‚Authentizität‘ operieren würde oder Beispiel über Beispiel für Bavariness aneinanderreihen würde und hätte dabei selbst wenig mehr als einen weiteren Beitrag zur diskursiven Formation geliefert. Wichtig erschien uns deshalb die Einbeziehung des lebensweltlichen Bezuges der einzelnen Phänomene in ethnographischer Perspektivierung. Simone Eggers Arbeit über das ‚Phänomen Wiesntracht‘ zeigt das Potential dieses multiperspektiven Zugangs zu dem Themenkomplex und auch die quer zu politischen Ausrichtungen oder gesellschaftlichen
Stratifikationen zu liegen scheinende Aneignung von Bavariness-Elementen lässt erahnen, dass hier mehr als lediglich eine vor dem Hintergrund der Globalisierung stattfindende Rückbesinnung auf Tradition im modernen Gewand zu beobachten ist.

Florian Schwemin